Filmtipp: Der Schwarm

Offizieller Text: „Mit der neuen Serie „Der Schwarm“ möchte das ZDF in der Liga der großen, internationalen Prestige-Serien wie „The Last of Us“ und „House of the Dragon“ mitspielen. Dafür hat der Sender 40 Millionen Euro in die Hand genommen und die bisher aufwendigste deutsche TV-Produktion aller Zeiten umgesetzt.“

Ich bin Fan des Buches „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Das Buch habe ich mindestens dreimal gelesen, das Hörbuch bisher nur einmal angehört. Ganz begeistert stellte ich kürzlich fest: „Ach, das ist verfilmt worden, wow, muss ich sehen“.
Dann sah ich: Das ist eine 8-teilige ZDF-Produktion.
Vorteil: Kein kostenpflichtiger Streamingdienst.
Nachteil: Ja, ZDF halt.
Dann las ich, dass dies ihre teuerste Eigenproduktion ever sei. Über 40 Millionen hätten sie dafür ausgegeben. Anschließend fand ich, dass Frank Schätzing an der Produktion beteiligt war, man sich aber während der Dreharbeiten überworfen habe. Anschließend gab er sehr negative Interviews über das Ergebnis. Es würde „mehr ‚Pilchern‘ als ‚Schwärmen'“, und „Manches ist kinoreif, anderes rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV.“

Somit waren meine Erwartungen recht niedrig gesteckt, als ich mich in die Mediathek vom ZDF begab, um es mir anzusehen.


Für alle, denen „Der Schwarm“ nichts sagt, hier die Amazon-Zusammenfassung des Inhaltes:

„Das Meer schlägt zurück – in Frank Schätzings meisterhaftem Thriller erwächst der Menschheit eine unvorstellbare Bedrohung aus den Ozeanen.

Frank Schätzing inszeniert die weltweite Auflehnung der Natur gegen den Menschen. Ein globales Katastrophenszenario zwischen Norwegen, Kanada, Japan und Deutschland, und ein Roman voller psychologischer und politischer Dramen, mit einem atemberaubenden Schluss. Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Ölbohrexperten stoßen in der norwegischen See auf merkwürdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Währenddessen geht mit den Walen entlang der Küste British Columbias eine unheimliche Veränderung vor. Nichts von alledem scheint miteinander in Zusammenhang zu stehen. Doch Sigur Johanson, norwegischer Biologe und Schöngeist, glaubt nicht an Zufälle. Auch der indianische Walforscher Leon Anawak gelangt zu einer beunruhigenden Erkenntnis: Eine Katastrophe bahnt sich an. Doch wer oder was löst sie aus? Während die Welt an den Abgrund gerät, kommen die Wissenschaftler zusammen mit der britischen Journalistin Karen Weaver einer ungeheuerlichen Wahrheit auf die Spur.

Das globale Katastrophenszenario, das Frank Schätzing Schritt für Schritt mit beklemmender Logik entfaltet, ist von erschreckender Wahrscheinlichkeit. Es basiert auf so genauen naturwissenschaftlichen und ökologischen Recherchen, dass dieser Roman weit mehr ist als ein großartig geschriebener, spannungsgeladener Thriller. Das Buch stellt mit großer Dringlichkeit die Frage nach der Rolle des Menschen in der Schöpfung. Mit Der Schwarm, seinem sechsten Buch, hat sich der Kölner Bestsellerautor Frank Schätzing in die erste Reihe großer internationaler Thriller-Autoren geschrieben. Ein seltenes Ereignis in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.“

Nun zu meiner Kritik:


Der erste Teil beginnt hochspannend und toll gefilmt, mit dem Verschwinden des Fischers vor Peru. Doch nicht so schlecht das Ganze?
Aber dann folgt eine Fernsehkino-Gerede-Szene nach der Anderen mit statischer Kamera und Langeweile. Die Personen werden vorgestellt und ich habe das übliche Problem von Menschen, die ganz viel mit dem Buch verbinden: Die Schauspieler entsprechen nur in Teilen meinen inneren Bildern der Figuren. Sigur Johannson, der ältere Schöngeist, hat in meinen Gedanken immer ausgesehen wie Maximilian Schell. In der Verfilmung ist er dunkelhäutig, jünger, trägt Stoppelbart und hat keine Spur von Schöngeist.
Dennoch kann ich den längeren Redepassagen durchaus etwas abgewinnen. Es geht ja darum, sich auf die Erzählung einzulassen, die Personen kennenzulernen. Insgesamt sind die handelnden Personen aber reduziert, sowohl in der Menge als auch in ihrer Komplexität. Schade. So bleibt ihr Handeln und Reden meist flache Fassade und wirkt nicht nachvollziehbar. Leider hat das ZDF für mich genau dort zudem einen gravierenden Fehler gemacht: Die Akustik klingt wie eine stumpfe Studioaufnahme, wie in „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“. Dadurch wirkt es passagenweise sehr langweilig und öde.

Natürlich passiert, dem Buch entsprechend, auch immer wieder Einiges. Dann punktet der Film mit ansprechenden Aufnahmen und aufwendigen Effekten. So ganz kann er ja nicht ignorieren, dass er eigentlich ein Thriller ist und keine Dokumentation.
Mit Teil vier nimmt die Geschichte etwas Fahrt auf, die Schnitte werden kürzer, die Kamera interessanter. Einzelne Nahaufnahmen fangen intime Momente und bauen Spannung auf, die Schauspieler dürfen sich mehr als nur hölzern bewegen.
Für einen Kenner des Buches ist die Action dennoch enttäuschend. Zu sehr wurde die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung simplifiziert, die Katastrophenereignisse werden eigentlich nur angedeutet. Gerade die detaillierten Beschreibungen eines Tsunamis, die den Leser an das Buch regelrecht gekettet haben, sind im Film reduziert auf zwei „nette Wellen“. Nach der Lektüre des Buches wusste jeder Leser genau, wie ein Tsunami sich ankündigt, wie sein Verlauf ist, worin seine eigentliche Gefahr besteht. Nichts davon findet sich im Film. Auch die Ursache bleibt weitestgehend im Dunkeln. Der Zuschauer muss sich das irgendwie selbst dazu denken.

Die Verfilmung hätte hochaktuell sein können, gerade in Anbetracht der Diskussionen über den Klimawandel. Sie hätte aufrütteln und erschrecken können. Doch selbst der „Ökoterrorist“ Jack ist beim ZDF bloß ein netter kumpeliger Stichwortgeber, statt eine rebellische Greta. Die Darstellung des Zusammenbruchs von Wirtschaft, Infrastruktur und Kommunikation, auch Fehlanzeige.
Für Kenner des Buches  bestimmt der größte Tiefschlag: keine Delfine. Nicht mal ein halber. Wie dann die Story am Ende aussieht? … jo, irgendwie meist langweilig und der Schluss ist komplett absurd.

Mir stellt sich die Frage: Wozu wurde das Buch verfilmt?

Hiermit wird dann mein „Film“-Tipp zu einem Buch-, oder Hörbuch-Tipp. Seid ihr an der Materie interessiert, lest das Buch oder hört das Hörbuch. Schenkt euch die Fernsehproduktion einfach.

Birgit